OTTO SCHALL IST DER LETZTE HERSTELLER VON TRADITIONELLEN GAMSBÄRTEN IM ALLGÄU SEINE BUSCHIGEN KUNSTWERKE SCHMÜCKEN VIELE TRACHTENHÜTE WIESO ER DEM ALLGÄU BESONDERS VERBUNDEN IST UND WESHALB ER KEINEN NACHFOLGER FÜR SEIN HANDWERK FINDET VERRÄT DER 78 JÄHRIGE IM INTERVIEW Wie kommt man dazu Gamsbärte zu binden Bei uns im Allgäu ist das ein altes Handwerk denn ein schöner Gamsbart ist der Stolz eines jeden Trachtlers Als Jugendlicher habe ich in Lawinen nach toten Gamsböcken gesucht ihnen die Haare ausgerupft und mir mein Taschengeld aufgebes sert indem ich sie an Jäger verkauft habe Die Jäger haben die Gamsbärte an einen Binder weitergegeben der sie weiterverarbeitet hat Später habe ich von einem alten Gamsbartbinder dieses Handwerk gelernt er wollte dass die schöne alte Tradition weiterlebt Was macht für Sie die Faszination des Gamsbart bindens aus Ich war schon immer sehr naturverbunden und habe das Gamswild in mein Herz geschlossen Auch handwerkliche Arbeit habe ich immer sehr gern gemacht In den vergangenen 55 Jahren habe ich einige Hundert Gamsbärte gebunden Die Arbeit ist zeitintensiv und erfordert viel Konzentra tion Man benötigt etwa 20 000 Haare vom Rücken eines Gamsbocks die man aufwendig zu einzelnen Büscheln bindet und verarbeitet Zuerst werden die Gamshaare mit Seife und Shampoo gewaschen Danach werden sie der Länge nach sortiert die längsten sind bis zu 19 Zentimeter lang Aus etwa 50 bis 60 gleich langen Haaren entstehen kleine Büschel die dann in dem Bart verarbeitet werden Dabei beginnt man mit den kurzen Haaren in der Mitte nach außen werden sie immer länger Die Haare dürfen nicht geschnitten werden damit sie ihren Reifen die weißen Haarspitzen nicht verlieren die einen Gamsbart so besonders machen Und wie sieht es heute mit dem Nachwuchs aus Ganz schlecht Ich bin der Einzige im Allgäu der noch Gamsbärte binden kann Es kamen gelegent lich junge Leute die sich alles angeschaut haben und von mir lernen wollten Aber leider ist nie etwas draus geworden und ich habe bis heute keinen Nachfolger gefunden Denn für junge Leute lohnt sich diese Arbeit finanziell leider nicht Man benötigt zwischen 20 und 40 Arbeitsstunden für einen Gamsbart je nach Größe kann er fertig zwischen 1 000 und 2 000 Euro kosten Doch auch das Material ist teuer man braucht die Haare von etwa zehn Böcken für einen Bart die mir von den Jägern geliefert werden Mit dem Nachwuchs problem stehe ich als Gamsbartbinder jedoch nicht allein Es ist schade dass auch andere Handwerks traditionen nicht weitergeführt werden es gibt inzwischen keine Schlittenmacher mehr und nur noch einen Riemenmacher Alle diese schönen Berufe werden irgendwann aussterben Als letzter Hüter eines traditionellen Handwerks sind Sie sicher auch den Traditionen des Allgäus verbunden Natürlich Ich habe immer in Oberstdorf gelebt war viele Jahre im Schützenverein aktiv und bin heute noch Mitglied des Trachtenvereins Als alteingesessener Oberstdorfer wie können Sie Flachländern den besonderen Charme ihrer Heimat beschreiben Ich bin dieser Region natürlich sehr verbunden Hier habe ich drei Jahrzehnte lang mit einem Freund eine Skischule geführt und meine Arbeit sehr geliebt Denn im Allgäu wird einem niemals langweilig das Alpenpanorama mit Bergen bis zu 2 700 Metern ist faszinierend wie in einem Film Und wer sich draußen sportlich betätigen will hat bei uns die reiche Auswahl Von Klettern über Wandern Gleitschirmfliegen Radfahren bis zum Skifahren Langlauf und Hochgebirgstouren bietet das Allgäu für jeden etwas Lebendige Traditionen Ob Dampfbierbrauerei in Oberstdorf Trachtenschneiderei Holzofenbäckerei oder Käserei im Allgäu werden noch einige alte Handwerkskünste gepflegt Unisex Nachdem der Gamsbart lange männlichen Trachtlern vorbehalten war tragen in jüngster Zeit auch Frauen den traditionellen Hutschmuck Sportlich Die schönsten Gamsbärte werden alle vier Jahre bei der Gamsbart Olympiade im Salzkammergut prämiiert Das Allgäu bietet für jeden etwas 24 MEIN ALLGÄU

Vorschau uptrend 01/2018 Seite 26
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