Johann Abt: Vater des Erfolgs

Johann Abt hat so viele deftige Anekdoten geliefert, dass man manchmal mit dem Aufschreiben gar nicht mehr hinterherkam. Ich hatte als Journalist und Streckensprecher das Vergnügen, diesen Vollgasmann aus dem Allgäu in seiner aktiven Rennfahrerzeit während der 1960er- und 1970er-Jahre zu begleiten. Davon möchte ich nicht einen Tag missen – Johann verbreitete stets Fröhlichkeit und war Lieferant vieler guter Storys. Solche Ur-Typen wie er fehlen dem Motorsport heute mehr denn je. 

Zwei Kemptener DKW-Piloten hatten vor allem in den 1960er-Jahren am Berg das Sagen beim Siegen: Johann Abt und sein Kumpel Michael Endress. Ihre liebsten Spielplätze waren die Tourenwagenklassen 850 und 1.000 ccm. Ohne Siegerkranz gingen die beiden Naturburschen nie heim ins Allgäu. Einer von ihnen gewann immer, meistens sogar beide. Später stieg Abt auf den 1000er-Abarth um, bekam sogar einen Werksvertrag von Tuningpapst Carlo Abarth und fuhr fortan auch auf den permanenten Rennstrecken und Flugplätzen auf Siegeskurs. Spezl Endress heizte weiter die Berge rauf.

Fakten Johann Abt
  • Geboren: 20. Dezember 1935 in Kempten
  • Gestorben: 11. Oktober 2003 in Kempten
  • Motorrad-Rennsport: 1952–1958 Erst Privatfahrer auf DKW; 1954–1958 DKWWerksfahrer; 1955 jüngster Mannschaftsweltmeister im Motorrad-Geländesport; Gewinner von fünf Gelände- und Motocross-Titeln; Sieger bei rund 200 Motorrad-Rennen.
  • Automobil-Rennsport: 1959–1975 Wieder Einstieg als Privatfahrer auf DKW; nach jedem seiner vielen Siege fordert die Kundschaft immer lauter: „Wir wollen genauso ein Auto wie Johann Abt!“; AUTO-ABT bietet daher ab 1962 auch Automobil-Veredelung an, gründet 1967 die Tochterfirma ABT Tuning; nach dem Aus von DKW ab 1965 private Starts mit Abarth-Tourenwagen; 1966 erst Semi-Werksfahrer, 1967–1971 Werkspilot von Abarth; 1967 Sieger bei 29 seiner 30 Bergrennen; 1970 Tourenwagen-Europameister (Div. 1); nach dem Verkauf von Abarth an Fiat 1972–1975 private Starts bei Rundstrecken- und Bergrennen mit Abarth-Sportwagen; mehr als 100 Auto-Siege.
  • Weiteres Engagement im Motorsport: 1969 Mitgründer der Renngemeinschaft Allgäu (RGA); ab 1985 Aufbau von ABT Motorsport für seine rennfahrenden Söhne; 1991–2002 Ratgeber bei ABT Sportsline, der neuzeitlichen Autoveredelungsschmiede der beiden; 1998–2002 federführend im von ABT Sportsline durchgeführten Volkswagen ADAC Touring Junior Cup („Lupo-Cup“).
Berg-Klatsche von Johann

Als Erstes fällt mir zu Johann Abt eine Begebenheit beim Bergpreis Schauinsland in Freiburg ein. August 1967, ein Lauf zur Deutschen Bergmeisterschaft: Johann Abt im Abarth 1000 TC und Siegfried Spiess im NSU 1000 TT waren die Männer, die sich schon die ganze Saison über um den Titel stritten. Abt startete in der Tourenwagenklasse bis 1.000 ccm, Spiess in der nächsthöheren bis 1.150 ccm. Beide hatten bis dahin ständig ihre jeweilige Klasse gewonnen und jeder hoffte darauf, dass der andere mal verliert. Um Hilfstruppen in Stellung zu bringen, war der fast zwölf Kilometer lange Bergparcours bei Freiburg im Breisgau ein guter Platz.

„Magst du einen TT von mir fahren?“, fragte mich Sigi Spiess zwei Wochen vorher und erläuterte auch gleich den Hintergrund seiner Großzügigkeit. „Wenn du mal den Abt schlagen könntest, wär’ das nicht schlecht.“ Freudig sagte ich zu und zog los, um den großen Johann Abt aus Kempten zu besiegen. Der hatte den Braten aber längst gerochen. Zur Begrüßung im Fahrerlager legte er freundschaftlich seinen Arm um meine Schulter und sagte lachend im Allgäuer Slang: „Bursch, wennst mi niederfahrn willst, musst scho verdammt gut beinand sein.“

Den Mammut-Berg Schauinsland mit seinen tückischen Kurven kannte ich schon bestens durch einen zweiten Platz im Formel V 1965 und einen Sieg im Glas 1304 TS 1966. Ich war 1967 deshalb fest davon überzeugt: Ich kann Abt packen. Mein Selbstvertrauen war schier grenzenlos. Der silbergraue NSU TT, den Spiess für mich mitgebracht hatte, war mit zwei Weber-Doppelvergasern ausgestattet und leistete so um die 85 PS. Der Motor ging infernalisch gut. Das Allgäuer Denkmal wankte: Mein Teamkollege Franz Waldhier fuhr im TT zweimal Lauf-Bestzeit, Abt und ich knapp dahinter. Aber: Das war leider nur das Trainingsresultat.

Die Addition beider Rennläufe war dann geradezu ernüchternd. Der Abt Johann prügelte seinen Abarth mit zwei Fabelzeiten hinauf zum Gipfel. Er drückte Waldhier drei und mir fünf Sekunden auf. Als Johann abends bei der feierlichen Freiluft-Siegerehrung auf dem Platz vor dem Freiburger Münster aufgerufen wurde, nahm er mit seinem vierjährigen Sohn Hans-Jürgen an der Hand den riesigen Pokal entgegen. Der Kleine strahlte.

Der andere Abt-Filius Christian war damals erst fünf Monate alt und lag noch zu Hause in Kempten bei Mama Thea im Strampelanzug. Übrigens gewann Sigi Spiess im NSU TT trotzdem noch den 1967er-Titel. Weil Abt nach seinem Schauinsland-Sieg noch einen Ausfall wegen eines geplatzten Motors hinnehmen musste.

Rundum ein Allgäuer Original

Johann Abt galt als das ultimative Fahrtier. Den „Jungen Wilden“ nannten sie ihn schon während seiner Motorradzeit in den 1950ern voller Erfurcht. Wo er im Werksteam von DKW 1955 mit 19 der jüngste Gelände-Mannschaftsweltmeister wurde. Überall bewegte sich der verwegene Allgäuer am absoluten Limit von Fahrzeug und Piste. Ob am Berg oder auf der Rundstrecke: Er fuhr wie eine Wildsau. Dabei flogen auch die Fetzen. Krachte es, brachte er sein Auto notfalls auf drei Rädern ins Ziel. Gefahren wurde, bis sich nichts mehr drehte. Fitnesstraining und Sportlernahrung, für Johann blieben das Fremdwörter. Er feierte gern und doll, entsprach rundum den Vorstellungen von einem Allgäuer Original: deftig, heftig, kräftig.

„Geht nicht“ gab’s nicht bei ihm. Johann konnte alles, wusste alles, machte alles. Und zwar selbst. Ein begnadeter Techniker war er; und seine Werkstatt, ob daheim in Kempten oder in jedem Fahrerlager, sein zweites Wohnzimmer. Um Motor, Fahrwerk, Getriebe kümmerte er sich höchstpersönlich. Der Chef von AUTO-ABT aus Kempten kannte jede Schraube, am Gelände-Motorrad genauso wie an DKW- und Abarth-Tourenwagen sowie an Abarth-Sportwagen. An die 200 Siege auf zwei und über 100 auf vier Rädern machten ihn zu einem der national erfolgreichsten deutschen Rennfahrer.

Johann Abts große Liebe galt den Bergrennen, weil speziell hier „Hirn und Herz“ gefragt sind. Deshalb wurmte es ihn besonders, dass er gerade beim Kampf um den Bergtitel zweimal knapp vorm Ziel scheiterte. In einer einzigen Saison, anno 1967 nämlich, gewann er mal 29 von 30 Rennen. Auf der Rundstrecke räumte er ebenfalls ordentlich auf und sicherte sich 1970 im Abarth 1000 TC nahezu ungeschlagen die Tourenwagen-Europameisterschaft der Division 1. Danach tobte er sich bis zum Ende seiner Karriere 1975 noch ein paar Jährchen im Abarth-Sportwagen 2000 bei der Berg-Europameisterschaft aus.

Tuning-Pionier mit Weitblick

Nach der eigenen Rennerei kümmerte Johann sich noch mehr mit Weitblick um seine Firmen. Autos veredelte er neben dem Werkstattbetrieb bereits seit 1962 sehr gewinnbringend. 1967 machte er das mit ABT Tuning formal zum weiteren Geschäftsanker. Wer mehr Power für Straße oder Piste wünschte, war bei ihm genau richtig. Seine getunten Golf GTI und Polos gewannen in den Cup-Rennserien fast nach Belieben. 1991 kam ABT Sportsline hinzu. Mit dem Neubau dafür startete der Familienbetrieb in Kemptens heutiger Johann-Abt-Straße 2 ins weltweite Tuning-Business der Neuzeit. Mit Johanns inzwischen erwachsenen, auch motorsport- wie technikbegeisterten Söhnen an der Spitze: Kaufmann und Kfz-Mechaniker Hans-Jürgen verantwortete die Geschäfte und führte das Unternehmen erfolgreich auf den Weltmarkt und auf den Weg der Mobilität der Zukunft. Christian war in den ersten Jahren als Kfz-Meister Ressortchef von Tuning und Technik und obendrein die Nummer eins der zweiten Rennfahrer-Generation der Familie Abt.

Bleibendes Vorbild für die Jugend

Als ABT Sportsline mit Mattias Ekström im September 2002 den zweiten DTM-Lauf von Zandvoort und gleichzeitig mit Teamkollege Laurent Aiello als Sechstplatziertem den Fahrertitel gewann, sagte Johann mir unter Tränen: „Ich bin froh und glücklich, dies alles hier noch erleben zu können!“ Obwohl gesundheitlich schon arg geschwächt, hat er diesen Moment des Triumphs des Teams ABT Sportsline und seiner Buben sichtlich genossen. Zumal dieser Erfolg auf den Tag genau zusammenfiel mit seinem Sieg und seinem Gewinn des Tourenwagen-EM-Titels 32 Jahre zuvor ebendort, in Zandvoort. Am 11. Oktober 2003 starb Johann Abt nach längerer Krankheit im Alter von fast 68 Jahren. Zwanzig Jahre ist das nun schon her. Was weiter unsterblich bleibt, ist die Erinnerung an einen außergewöhnlichen Menschen und Sportsmann. Ein Vorbild für die Jugend, ein grandioser Rennfahrer, ein cleverer, mutiger Unternehmer, ein umsichtiger Teamchef, Rennleiter, Sportkommissar und Vereinsleiter, eine grundehrliche Haut, ein unermüdlicher Kämpfer und Macher, ein souveränes Familienoberhaupt und ein wunderbarer Vater. Und nicht zu vergessen: ein echtes Allgäuer Original.

Nachgehakt bei Ralf Schumacher
Der Ex-Formel-1-Fahrer verbrachte zwei seiner Aufstiegsjahre im Team von Johann Abt

Wie hat Sie Johann Abt 1992 als sehr jungen Rennfahrer mit einem berühmten großen Bruder in der Formel 1 damals bei sich im Team und in Kempten aufgenommen?
Johann Abt war immer sehr bodenständig und legte in seinem engeren Umfeld auch sehr großen Wert darauf, dass da keiner „abhebt“. Für mich war das rückblickend betrachtet eine sehr wertvolle und auch lehrreiche Zeit.

Welche Rolle hatte Johann Abt für Sie vor allem?
Ganz klar: Lehrmeister.

Herr Abt oder Johann, wie haben Sie ihn angesprochen?
Von Anfang an war er der Johann.

Wie ging er als sehr erfolgreicher Ex-Rennfahrer Motorsport an?
Johann war ein Motorsportler durch und durch. Was ihn besonders auszeichnete: Er hatte viel Freude daran, seine Erfahrung insbesondere auch an den Nachwuchs weiterzugeben.

Welche seiner Erfahrungen waren für Sie besonders wertvoll?
Ich bin ihm bis heute dankbar, viel von ihm gelernt zu haben, auch außerhalb des Rennsports. An eins erinnere ich mich noch sehr gerne: Auf der Essen Motor Show hat er mir als Rheinländer damals gezeigt, wie man eine Weißwurst richtig isst (grinst).

Wie war Ihr Kontakt nach Ihrer Zeit bei ABT ab Ende 1993?
Ich war ja später eine Zeitlang in Japan und danach mit der Formel 1 unterwegs. Leider ist der Kontakt im Laufe der Jahre abgebrochen. Aber meinen Respekt, wie sich aus Kempten heraus ABT mit Johanns beiden Söhnen Hans-Jürgen und Christian international entwickelt hat – nicht nur im Motorsport! Dies habe ich immer mitverfolgt. Und nicht nur zu der Zeit, als ich einige Jahre Teil der Mercedes-DTM-Familie war und ABT einer unserer härtesten Gegner.